„Candyshop“ Kunstwerkststatt für Menschen

 

 

 

 


Seit Sommer 2013 leite ich als freie Künstlerin, angestellt beim Diakoniewerk Essen e.V., die Kunstwerkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung.

Der „Candyshop“ bietet den Menschen aus den Wohneinrichtungen des Diakoniewerks Essen die Möglichkeit, ihre künstlerischen Fähigkeiten zu entfalten und Ausdrucksmöglichkeiten für persönliche Stimmungen, Eindrücke und Ideen zu finden.

Katalogtext:
Kunst kennt kein Handicap, keine Defizite. Wer etwas gestaltet, kann mit dem einfachsten Repertoire eine eigene Ästhetik entwickeln. Schönheit, Kraft, die Fähigkeit zur Inspiration des Betrach-ters: Die Eigenschaften eines Kunstwerks sind unabhängig von Einschränkungen der Künstler*in. Sie entstehen aus dem was da ist und nicht aus dem was fehlt. Wer die Bilder auf sich wirken lässt und eine Lust verspürt am Ausdruck, an der Linie, an der Farbe, am Sujet und eine Beziehung zur Ästhetik aufbauen kann, macht eine Erfahrung mit Kunst.

Die Arbeit in der Kunstwerkstatt ist für mich ein Herausforderung und eine enorme Bereicherung zu gleich. Zunächst muss ich emphatisch ausloten, welche Ausdrucksweise für den Künstler die passende ist, gerade wenn dieser seine kreativen Bedürfnisse möglicherweise eingeschränkt äußern kann.

Während die Eine den maximalen Genuss im Prozeß empfindet und völlig darin aufgeht eine einzige intensive Farbe auf zu tragen, bringt der Nächste Fotos und Material mit in die Werkstatt und möchte beim Erstellen einer Collage unterstützt werden. Heiterkeit, Entspannung und fröhliches Miteinander bestimmen die gemeinsamen Stunden des Malens und Gestaltens.

Man motiviert sich gegenseitig und ganz selbstverständlich tun sich zwei oder drei zusammen um eine größere Leinwand miteinander zu gestalten.
Ausflüge ins Museum, ins Theater oder zu Kunst-messen fördern den Spaß an Kultur und inspirieren die eigene Arbeit. Nach einem Besuch der Gruga zum Parkleuchten arbeiteten wir beispielsweise eine Zeitlang mit Neonfarben oder experimentierten mit „Landart“ in der Natur. Fotografie und Film sind Dank neuester Technik mit Tablets immer wieder Bestandteil der Gestaltung. So entstand ganz spontan ein verrückter Abba-Musical- Film sowie eigenartige übermalte Fotografien.

Für mich, als akademische Künstlerin, ist es be-sonders schön, die unbewussten Referenzen und Gleichklänge mit der etablierten Kunstwelt zu se-hen, die Stärke der ungehemmten Kooperation aktiv mit zu erleben und meist selbstverständlich Teil der Gruppe zu sein.
An die Stelle der oft quälenden Pflicht zur Refle-xion und Distanz zum eigenen Werk, tritt in der Kunstwerkstatt die Freude am unmittelbaren Tun.
Gemeinsames Ausstellen und auch der Verkauf von Bildern ist natürlich immer wieder ein Ziel und ein Ansporn. Allerdings ohne den existentiellen Druck und die Konkurrenz, der heutzutage viele Kunstschaffende ausgesetzt sind, die marktge-recht arbeiten müssen.

Für mich ist die Kunstwerkstatt, von manchen Teilnehmern liebevoll „Candyshop“ genannt, ein großartiger kreativer Freiraum.

Sie ist als Einrichtung des Diakoniewerks ein ganz besonderer Beitrag zur Inklusion, denn sie ist selbst das Angebot zur Teilhabe an einem sehr solidarischen und fröhlichem Kunstprojekt.

Anabel Jujol
Leiterin der Kunstwerkstatt

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