Versammlungsfreiheit für Zelte!

Seit dem 15. Oktober 2011 gibt es in Düsseldorf, wie in einigen anderen Städten Deutschlands, ein Occupy Camp. Hier versammeln sich dauerhaft Aktivisten im Rahmen einer Mahnwache für echte Demokratie und Menschenrechte.

Zelte sind seit 2011 ein Symbol für die Besetzung öffentlicher Räume im politischen Protest zahlreicher Demokratiebewegungen weltweit geworden.

Auf dem Tahrir Platz in Ägypten zeigten die Demonstranten damit, dass sie solange bleiben, bis ihre Forderung nach Demokratie und Bürgerrechten erfüllt werden. Auch in Spanien, in den USA, in Kanada, in Südamerika, in Israel und vielen vielen Orten auf der Welt in denen kapitalismuskritische und globislierungskritische Demokratiebewegungen entstehen, dienen Zeltlager und Zelte als symbole für dauerhaften Widerstand.
Stehen solche Zelte nach Artikel 8 des Grundgesetzes unter dem gesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit? Diese Frage stellt sich aktuell angesichts der bevorstehenden Räumung der Camps in Düsseldorf und Frankfurt. In beiden Städten setzten die Ordnungshüter die Frist zum 31. Juli.

In Deutschland schützt das Grundgesetz die Versammlungsfreiheit im besonderen Maße. Die Versammlungsfreiheit gilt, wie die Formulierungen aus bisherigen Urteilen lauten, als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist. In einer Demokratie müsse die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt verlaufen.* Versammlungen sind daher eine wesentliche Möglichkeit, um außerhalb der Wahlen Einfluss auf die Politik nehmen zu können.**
(*Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.7.1966) (** BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985)

Das BVerfG definiert den Begriff der Versammlung üblicherweise als eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.* Das BVerfG vertritt die Ansicht, dass Versammlungen und Aufzüge – im Unterschied zu bloßen Ansammlungen oder Volksbelustigungen – als Ausdruck gemeinschaftlicher,auf Kommunikation angelegter Entfaltung geschützt sind.** Gemeinsamer Zweck der Versammlungsteilnehmer ist nach dem BVerfG die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.
Dabei können unterschiedliche Ausdrucksformen zur Kommunikation genutzt werden. Der Schweigemarsch, die Lichterkette oder die Mahnwache sind bereits bekannte Protest- und Versammlungsformen neben der typischen Demonstration.
(* Vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001) (** Vgl. BVerfG (K) in einer aktuellen Entscheidung v.10.12.2010 – 1 BvR 1402/06)

Ein Zeltlager ist Versammlungsort und Mahnmal zugleich für einen kontinuierlichen Wandel hin zu echter Demokratie, jenseits von einer Politik, die nur den Interessen der Finanzmärkte und den Großkonzernen dienen will. Gerade, dass die Zelte an anderen Orten ebenfalls zu diesem Zweck eingesetzt werden, unterstützt den Symbolcharakter dieser global ausgerichteten Protestform, die die verschiedenen Probleme unseres neoliberalen kapitalistischen Weltsystems miteinander in Verbindung bringt.

Wenn nun eine Versammlungsform sich einer neuen Symbolik bedient und die andauernde Besetzung von öffentlichen Plätzen mit bewohnten Zelten zur Ausdrucksform, und zur Botschaft wird, dann fällt diese neue Versammlungsform ebenfalls unter den Schutz der Versammlungsfreiheit. Dieser Meinung sind diejenigen, die diese friedliche Protestform bewusst gewählt haben, um der Demokratie und Meinungsfreiheit einen alternativen Raum zu geben. Einen Protest, der in seiner Form zeigt, dass Demokratie dauerhaftes Engagement braucht.

Demokratie, Menschenrechte, Wirtschaftssystem, Umweltschutz, Umgang mit natürlichen Ressourcen, soziale Gerechtigkeit, Kultur und Bildung, Freizügigkeit, all das sind Themen, die nicht voneinander losgelöst betrachtet werden dürfen. Jedes soziale, wirtschaftliche und demokratische Handeln soll sich an den ethischen Grundprinzipien des Humanismus und der Aufklärung ausrichten.
Vernunft, Mitgefühl, Menschen vor Profit!

Anabel Jujol

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Die Quellenangaben und Definitionen stammen größtenteils aus diesem Aufsatz:

Neue Problemkreise des Versammlungsrechts: Konturierung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG
Von Wiss. Mitarbeiter Stephan Pötters, Christoph Werkmeister, Bonn*

http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2011_3_449.pdf

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